„Die CO2-Regulierung sorgt für unruhiges Fahrwasser bei Eigentümern, die keine Transparenz in ihr Portfolio bringen.“
- Dr. Konrad Jerusalem
Unternehmen aus fast allen Industriebereichen stehen permanent im Wettbewerb und müssen sich immer wieder neu erfinden, um profitabel zu bleiben. Die Unternehmen segeln hart am Wind – und müssen daher jeden Tag ihre Segel flicken und trimmen. In vielen Industrien hat sich so über die Jahre ein umfassendes und wirksames Kosten- und Prozess-Controlling etabliert. Davon ist die Immobilienwirtschaft weit entfernt. Ein Jahrzehnt des Booms liegt hinter uns und mit ihm ausreichend Rückenwind, sodass kleinere Löcher in den Segeln gar nicht bemerkt wurden. Aber der Wind hat gedreht. Die Zeit der großen Preissteigerungen und der schnellen Exits ist vorbei. Immobilienportfolios und Einzelobjekte werden länger gehalten. Der Fokus vieler Marktteilnehmer verschiebt sich damit nun von der Transaktion auf die Organisation ihrer Bestände. Natürlich gibt es Vorreiter, die schon während des Booms ihre Kosten und Prozesse optimiert haben. Ein Großteil der Eigentümer macht die Segel aber erst jetzt wieder fit.Wichtige Ziele sind dabei Transparenz und Effizienz in der Bewirtschaftung und im Management. Doch es mangelt an Übersicht. Ein Beispiel sind die immobilienbezogenen Verträge im Facility Management. Vereinbarungen werden üblicherweise ohne Prüfung fortgeschrieben, obwohl sich Leistungsanforderungen im Zeitablauf verändern. Ein weiteres Beispiel für mangelnde Übersicht betrifft die Strom- und Gasversorgung. Bei Objektkäufen werden meist die bestehenden Verträge übernommen. Das führt im Portfolio irgendwann zu Ineffizienzen: Das Vertragsmanagement für die vielen Partner wird komplex. Außerdem sind die Einkaufspreise zu hoch. Wenn die Strom- und Gasversorgung für ein komplettes Portfolio neu ausgeschrieben und gebündelt wird, lassen sich die Einkaufspreise erheblich senken. Häufig sind bis zu 50 Prozent an Einsparungen möglich. Auch bei den Objektdaten mangelt es an Übersicht: Fast alle Eigentümer haben zu wenig Wissen und Informationen über ihre Portfolios. Wie alt sind eigentlich die Heizungsanlagen in den Immobilien? Wie groß ist der CO2-Fußabdruck? Viele Daten liegen – wenn überhaupt – pulverisiert bei den einzelnen Dienstleistern. In Deutschland ist es üblich, die relevanten Daten dann beim Property und Facility Management anzufragen. Diese müssen selbst erst einmal mühsam alles zusammentragen: Der Hausmeister begibt sich also in den Keller und liest die Verbrauchsdaten vom Zähler ab. Bei Wohnimmobilien ist der Aufwand wegen der Vielzahl der Objekte nicht zu unterschätzen. Auch bei Gewerbeimmobilien ist der Aufwand groß, wo die Objekte häufig komplexe Zählerstrukturen aufweisen. In beiden Fällen werden die Daten zu selten automatisch übermittelt. Dabei gibt es hier längst ausgereifte und preiswerte digitale Zähler – die Rede ist von Smart Metern. Auch der Gesetzgeber sieht darin die Zukunft und hat einen Roll-out dieser intelligenten Zähler angeschoben.Die automatische Datenbeschaffung wird nicht nur durch den aktuellen Marktzyklus wichtiger. Sondern gerade auch durch die aufkommende CO2-Regulierung. Diese sorgt für unruhiges Fahrwasser bei Eigentümern, die keine Transparenz in ihr Portfolio bringen. Denn die Mehrkosten der CO2-Bepreisung werden wohl nur teilweise auf die Nutzer umlegbar sein. Zumindest ist es politischer Wille, dass der Immobilieneigentümer hierbei nicht aus der Verantwortung genommen wird. Eigentümer, die ihren Kahn rechtzeitig flott machen, können also nicht nur Mehrkosten vermeiden, sondern auch erkennen, welche ihrer Immobilien warum zu viel CO2 ausstoßen. Im Übrigen lassen sich auch Nachhaltigkeitsreports einfacher erstellen, wenn die relevanten Daten automatisch übermittelt werden. Und der Wind im Hinblick auf die ESG-Berichtspflichten wird eher zunehmen als abflauen.