Es gibt eine alte indische Weisheit: Drei blinde Männer werden gebeten, einen Elefanten zu beschreiben. Der eine hält den Rüssel, der zweite das Bein, der dritte den Schwanz in seinen Händen. Der erste Weise, wie Blinde in Indien genannt werden, vergleicht den Elefanten mit einem Ast, der zweite mit einer Säule, der dritte mit einem Seil. Alle drei Männer haben völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie ein Elefant beschaffen ist – weil keiner der Weisen den Elefanten je in seiner Gänze gesehen hat.
Natürlich hinken Vergleiche oft etwas, hilfreich sind sie dennoch. Denn so wie im Gleichnis der drei weisen Männer reagieren Dienstleister und Eigentümer oft beim Thema Betreiberverantwortung. Dabei geht es beispielsweise um Fragen der Einhaltung von Wartungsprotokollen, der Mängelbeseitigung und der Dokumentation derselben – aber auch, wer dafür geradestehen muss, wenn durch schuldhafte Verstöße Schäden an Mensch und Gebäude entstehen.
Zentrale Controlling-Instanz für jede Liegenschaft
Für Fragen wie diese müsste es im Normalfall eine zentrale Controlling-Instanz für jede Liegenschaft geben. Soweit die Theorie. In der Realität gibt es häufig jedoch keine konsequente Betreuung aus einer Hand. Stattdessen bleiben die Zuständigkeiten in den Dienstleisterverträgen von Asset-, Property-, und Facility-Management vielfach unscharf. Und genau da kommt unser Gleichnis ins Spiel: So wie die Weisen den Elefanten, so betrachten verantwortliche Dienstleister die Immobilie aus ihrer ganz eigenen Perspektive. Dass sie dabei jeweils zu anderen Interpretationsergebnissen kommen und aneinander vorbei kommunizieren, kann schnell zu Unklarheiten bei den Verantwortlichkeiten führen: Da ist etwa das Asset-Management, das die Immobilie durch die betriebswirtschaftliche Brille betrachtet und sämtliche Risiko- und Renditekomponenten steuert, jedoch nicht immer über hinreichende Kapazitäten verfügt, um die immer anspruchsvollere Gebäudetechnik umfassend beurteilen zu können.
Das Asset-Management beauftragt daher einen Property-Manager, dessen technischer Fokus darauf liegt, die Einhaltung von Inspektionen und Wartungen sicherzustellen.
Diese wiederum am konkreten Objekt durchzuführen, ist Aufgabe des Facility-Managers, der zwar das hierfür nötige technische Know-how hat, in seiner Spezialisierung jedoch oft eine andere Sprache spricht als der Asset-Manager: Der eine redet als Betriebswirt, der andere als Techniker. Die Folge sind Reibungsverluste in der Kommunikation zwischen den beteiligten Dienstleistern. Denn auf welche Weise will der Asset-Manager überprüfen, ob der Facility-Manager seine Arbeit korrekt durchgeführt hat, wenn er selbst nur wenig von der technischen Gebäudestruktur versteht? Das Ergebnis dieser Gemengelage sind unklare Zuständigkeiten, fehlende Abstimmungen und Unschärfen in den Verträgen: Dem Asset-Manager, der den Property-Manager beauftragt, fällt es schwer, die jeweilige Dienstleisterverantwortung klar zu bestimmen und zuzuordnen. Dadurch entstehen in den Dienstleisterverträgen unklare Verteilungen.
Im schlimmsten Fall können die rechtlichen Folgen indes hart sein: strafrechtliche Konsequenzen, Schadenersatz oder hohe Schmerzensgeldsummen. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schafft die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). In §15 ist klar geregelt, dass beispielsweise überwachungsbedürftige Anlagen regelmäßigen Prüfungen unterliegen müssen. Schuldhaft ist eine Pflichtverletzung dann, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt. Bereits die mangelhafte Wartung eines Geräts ist eine solche Fahrlässigkeit.
Derweil arbeitet die Bundesregierung an gesetzlichen Neuregelungen. Im Verlauf dieses Jahres soll eine neue Arbeitsmittel- und Anlagensicherheitsverordnung (ArbmittV) in Kraft treten und die alte Regelung ablösen. In Sachen Betreiberhaftung wird das allerdings keine nennenswerten Neuerungen mit sich bringen.
Immobilieneigentümer sollten aufgrund des Schuldrisikos nicht vor der Übertragung der Betreiberverantwortung auf professionelle Anbieter zurückschrecken, selbst wenn das mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Die Eigentümer sollten sich darüber im Klaren sein, dass im Falle eines Falles die Rechtsfolgen nicht nur von Unternehmen, sondern vor allem von den handelnden Personen selbst zu tragen sind. Sorgen diese nicht für ausreichende Sicherheit, begehen sie ein sogenanntes Organisationsverschulden. Auch eine technische Abnahme, beispielsweise eines Aufzugs durch den TÜV, bietet durch die häufige Nutzung nach der Prüfung und den permanenten Verschleiß keine Sicherheit vor der Haftung des Betreibers im Schadensfall.
Häufig nur Verweis auf Betreiberpflichten
Setzt sich beispielsweise ein Asset-Manager mit einer Hotelimmobilie auseinander, teilt er häufig in der Praxis dem entsprechenden Pächter oder Mieter seiner Liegenschaft Folgendes mit: Dass in seinem Vertrag, den er beispielsweise für zehn Jahre unterschrieben hat, geregelt ist, dass sich der Pächter beziehungsweise Mieter um die Gebäudetechnik kümmern muss, die in der Liegenschaft verbaut ist. Mit welchen Leistungen das aber im Einzelnen verbunden ist, wird in der Realität häufig ausgeblendet. Allzu oft fehlt die klare Definition der Verantwortungsbereiche. Auf welche Weise muss beispielsweise die vorhandene Gebäudetechnik geprüft werden, in welchen Zeitabständen soll die Lüftungsanlage und die Warmwasserbereitung gewartet werden? Wie viele Prüfschritte sind im Einzelnen notwendig? Wie schnell müssen gegebenenfalls Mängel beseitigt werden?
Was aufseiten der Asset-Manager absolut notwendig für einen optimalen und sicheren Ablauf ist, ist ein Controlling des Facility-Managements, mit dem beim Mieter überprüft wird, ob er alle Leistungen, die rund um die Gebäudetechnik einer Liegenschaft erforderlich sind, tatsächlich erbringt.
Ein Praxisbeispiel: Befinden sich in einer Warmwasserbereitungsanlage Legionellen und ein Hotelgast erkrankt nach der Wassernutzung schwer, wird der Eigentümer dafür zur Verantwortung gezogen, sofern er nicht ausreichend geprüft hat, ob der Mieter des Objekts alle notwendigen Kontroll- und Wartungsleistungen tatsächlich durchgeführt hat. Der Eigentümer – und in diesem Beispiel konkret persönlich der Geschäftsführer – ist letztlich für die belastete Warmwasserbereitungslage verantwortlich und kann somit mit immensen Schmerzensgeldforderungen und Behandlungskosten konfrontiert werden. Hat er dagegen alle Prüfungen, Wartungen und Reparaturen ordnungsgemäß durchgeführt beziehungsweise überwacht, ist der Eigentümer von der Haftung befreit.
Das Ignorieren des Themas Betreiberverantwortung durch den Asset-Manager, aber auch durch den Eigentümer selbst ist sehr riskant, wenn man die möglichen Folgen bedenkt. Insbesondere Eigentümer sind daher gut beraten, sich auf die Suche nach einem professionellen Partner zu begeben, der auf der betriebswirtschaftlichen sowie auf der technischen Ebene professionelle Lösungen anbietet und alle relevanten Aspekte der Betreiberverantwortung abdecken kann. Auf diese Weise ist es deutlich besser möglich – um auf die indische Weisheit zurückzukommen –, den Elefanten in seiner ganzheitlichen Gestalt zu erfassen und mit gebündeltem Wissen Schäden zu vermeiden.